Das Leben ist schön

Schottland 2017 – Munro Bagging am Mam Sodhail

Munro Bagging, ist sie jetzt völlig durchgedreht? Und was ist das überhaupt? Nun, ein sogenannter Munro ist ein Berg in Schottland, der höher ist als 3000 Fuß, was so ziemlich genau 914,4m sind (hab bei Wikipedia nachgeschaut). Und natürlich sind nur eigenständige Gipfel gemeint, also mit einer Schartenhöhe von mindestens 500 Fuß. Benannt wurden die Munros nach Sir Hugh Munro, der diese Berge 1891 zum ersten Mal katalogisierte. 282 Berge in Schottland gelten als Munros. Munro Bagging (also das Einsammeln von Munros) ist ein beliebter Sport bei Hillwalkern in Schottland. Viele mache ich es sich zur Aufgabe, alle dieser 282 Berge zu besteigen. Der höchste von allen – der übrigens auch der höchste von ganz Großbritannien ist – ist der Ben Nevis – und das war mein allererster und wie ich lange Zeit dachte auch jemals einziger Munro. Aber meistens kommt es anders. Und ja, es kam anders, ganz anders als erwartet.

Immer wenn wir hier bei Mathilda und Andre sind, sehen wir vom Fenster aus Loch Meiklie und im Hintergrund die meist noch schneebedeckten Berge, die das Glen Affric umrahmen. Einer davon ist der Carn Eige, einer der Mam Sodhail. Seit ungefähr zwei Jahren redet Markus davon, irgendwann mal auf den Carn Eige zu steigen. Bisher hatte ich mich immer geweigert, weil ich wusste, dass ich einfach nicht so fit bin, an die 1000 Höhenmeter zu überwinden. Dieses Jahr nun war das keine so große Ausrede mehr. Ich hatte im Winter fast 30 Kilo abgenommen und wir hatten im Odenwald nicht viel aber doch ein bisschen geübt. Die Wettervorhersage hatte gesagt, der Mittwoch wäre der schönste Tag der ganzen Woche – also wollten wir es angehen.

Die Munros rund um Glen Affric können auf mehreren Routen bestiegen werden. Die ganz harten Kerle machen 12 Munros an einem Tag, eine weitere etwas kleinere Route sind 5 Munros in einer Wanderung von 28 Kilometern mit insgesamt 1700 Höhenmetern, aber so viel wollten wir dann doch nicht. Wir wollten: hoch zum Mam Sodhail (1181m) und – wenn möglich – rüber zum Carn Eige (1183m), dann den gleichen Weg zurück, das wären dann zwei Munros gewesen. Vom Mam Sodhail zum Carn Eige rüber wären ca. 3km und 200 Höhenmeter extra gewesen, die beiden Berge sind fast gleich hoch, der Carn Eige ist gerade mal 2m höher als der Mam Sodhail, aber damit insgesamt der höchste Berg nördlich des Great Glen. Markus hatte die Karten studiert und Wege ermittelt. Gegen halb 10 waren wir am Parkplatz vom Glen Affric angekommen und liefen den Weg lang, den wir nun schon 6 mal gegangen waren – denn wir hatten in jedem unserer Urlaube uns einmal die Zeit genommen, den Rundweg im Glen Affric zu wandern. Heute ging es, anders als die letzten Male, rechts am See entlang, denn wir wollten ja rechts in die Berge hoch.


Wie immer faszinierte und die Landschaft des Glen Affric total. Der See, die Berge im Hintergrund, diese wilde ursprüngliche Landschaft gefällt mir jedes Jahr aufs neue.


Nach 5,7 Kilometern – weiter als erwartet – kamen wir zu der Abzweigung, die in die Berge hoch führt. Wir hatten bis dahin gerade mal 75m absolute Höhe gewonnen – allerdings war der Weg ein einziges auf und ab, so dass wir zusammengerechnet deutlich mehr Höhenmeter zurückgelegt hatten.


Am Abzweig machten wir zum ersten Mal eine kurze Pause. Ab jetzt würde es aber nicht mehr so ein gemütlicher Spaziergang mit Aufs und Abs geben sondern nur noch Auf. Und zwar richtig Auf!


Der Weg begann steinig, richtig steinig. Es war gar nicht so einfach, auf diesem Weg zu laufen.


Gleich zu Beginn ging es steil bergan, der Weg führte quasi zwischen den Bergen entlang.


Die kleinen geringelten Steine, die ich immer so gern für unseren Garten sammele – die gibts hier auch in groß. Leider viel zu groß zum Mitnehmen 😉


An der nächsten Pause blickte ich mal kurz zurück und sah, dass wir den Affric schon ziemlich weit unter uns zurückgelassen hatten. Wir hatten innerhalb sehr kurzer Zeit eine anständige Höhe erreicht.


Aber ab diesem Platz ging es dann richtig steil bergan. Wir haben teilweise 50 Höhenmeter in 200m Weg zurückgelegt, da kann man sich ausrechnen, was für Steigungen wir zu überwinden hatten.


Leider wurde der Weg auch nicht besser, er war teilweise kaum begehbar. Wir gingen streckenweise neben dem Pfad auf einem schmalen Grasstück, weil wir über die dicken Steine kaum voran kamen. Links neben uns war allerdings dann der steile Abgrund, so dass wir wirklich vorsichtig sein mussten. Auf dem nächsten Bild kann man erahnen, wie steil der Anstieg war.


Ich hab immer mal wieder zurück geblickt, um zu schauen, ob man den Affric schon gut sehen kann – leider war das nicht möglich, da immer nur ein kleines Stück sichtbar war.


Zwischendrin habe ich auch immer mal das GPS Gerät fotografiert. Dass wir nicht sehr schnell unterwegs waren, ist klar, aber wie schnell die Höhe sich änderte, war erstaunlich.


Markus lief mit seinen langen Beinen immer ein Stück voraus, ich musste allerdings auch immer mal stehen bleiben und ein paar Bilder machen.


Irgendwann hörte der steinerne Weg einfach auf und wir standen im Nichts. Mit Müh und Not fanden wir – manchmal – einen kleinen Trampelpfad über die Graslandschaft.


Hier der Blick auf den Berg geradezu – da mussten wir noch hoch.


Wenn wir den Pfad fanden, war er an dieser Stelle garantiert unter Wasser. Es war schlammig, es war nass und das schlimmste war – ab ca. 700 Höhenmeter fing es an zu regnen, es ging ein stürmischer Wind und wir überlegten lange, ob wir wegen des Wetters umkehren sollten. In einer kurzen Regenpause beschlossen wir dann weiterzulaufen, aber Spaß machte es an der Stelle dann schon nicht mehr.

Als wir ungefähr ein paar Meter unter dem großen Schneefeld waren, hörte ich beim Laufen immer ein Schlapp Schlapp und ich stolperte bei jedem zweiten Schritt. Herrjeh, die Sohle von meinem Laufschuh hatte sich vorn bis ungefähr zur Hälfte gelöst. So ein Mist aber auch. So kurz vor dem Ziel aufgeben? Wir hatten noch rund 200 Höhenmeter und vielleicht einen Kilometer bis zum Gipfel. OK, es fing außerdem an zu hageln, aber trotzdem, jetzt – fast oben – wirklich aufgeben? Wir schleppten uns erst mal auf den Berggrat und ich schaute noch mal zurück.


Auf dem Berg, noch nicht ganz auf dem Gipfel, war die Landschaft wieder total anders, viel steiniger, wie aus einer anderen Welt.


Hier nahmen wir uns die Zeit, meinen Schuh zu inspizieren. Ja, totaler Mist, das braucht kein Mensch.


Am liebsten hätte ich die Sohle komplett abgerissen, aber dann hätte ich Slicks gehabt und für den Abstieg habe ich den Grip der Sohle unbedingt gebraucht. Wir beschlossen, das Bändchen von meinem GPS Gerät zu nehmen und die Sohle wieder festzubinden. Ein Provisorium, das erstaunlich gut hielt. Ich musste es zwar alle paar Kilometer erneuern, aber das Bändchen hielt und hielt und ging nicht kaputt durch die Belastung.

Letzter Anstieg. Der Wind hier oben war so stark, dass er uns ständig die Kapuze ins Gesicht blies, der Regen dabei – es war echt nicht schön. Links oben ist die kleine Steinhütte, die wir noch erreichen wollten.


Und dann war es geschafft – wir waren auf dem Mam Sodhail. Das Wetter war so schlecht – wir hatten wirklich Bedenken uns länger als nötig da oben aufzuhalten. Es zogen immer mehr Wolken auf und wir bekamen auf einmal Angst, ob wir den Rückweg wieder finden würden, wenn wir ganz im Nebel ständen. Der Weg zum Carn Eige, den wir ja eigentlich besteigen wollten, den sparten wir uns. Zumal ich an der Stelle noch nicht ganz wusste, ob der Schuh halten würde und der Rückweg ja auch noch vor uns lag. Ein paar wenige Bilder habe ich ganz oben gemacht. Bei dem Regen war leider nicht viel mehr drin. Die Aussicht wäre bei schönem Wetter bestimmt toll gewesen – auch wenn wir vom Affric aufgrund der vorderen Berge nicht mehr viel sehen konnten.


Und dieses Mal hab ich tatsächlich nicht vergessen, das GPS ganz oben zu fotografieren.


Die Jacken hielten zum Glück Regen und Wind gut von uns ab, so dass wir nur leidlich froren. Die Füße waren warm und trocken. Und wir einfach glücklich, es geschafft zu haben.


Ein paar wenige Fotos von oben noch.


Und hier der Blick auf den Carn Eige, den wir ja noch hätten machen wollen. Nächstes Mal dann vielleicht.


Der Rückweg lag noch vor uns – rund 11,8km wieder bergab. Aufgrund der Schuhsituation, des wirklich nassen Weges und der vielen Steine kamen wir nicht viel schneller voran als aufwärts. Der Weg am Berggrat entlang war einigermaßen ok (auch wenn wir aufgrund des aufziehenden Nebels erst mal suchen mussten, wo der Abstieg war), aber dann begann das extrem steile Stück mit den Serpentinen, wo ständig ein Bach im Weg lief und wir die ganze Zeit durch das Wasser über glitschige Steine liefen. Das brachten wir dann noch ganz gut hinter uns.

Kritisch wurde es dann auf dem Grasland. Hier verloren wir endgültig den Weg und liefen nur noch querfeldein, immer auf der Suche nach dem kleinen Trampelpfad. Zum Glück war die Richtung ziemlich eindeutig, wir mussten nur aufpassen, dass wir nicht auf der falschen Seite von einem der vielen Rinnsale landeten, sonst hätten wir am Ende noch Bäche überqueren müssen.

Und wie das so ist – ganz ohne Verluste geht es bei mir ja selten zu. Auf einem der nassen Grasstücke gab das Gras unter mir nach, ich rutschte weg und knickte mir das rechte Knie unglücklich ein. Der Sturz selbst war nicht so schmerzhaft, aber meine Hose, die bis hierhin nur feucht gewesen war, war nun endgültig klitschnass und schlammig. Ich musste mich erst mal wieder sammeln und prüfen, was jetzt genau kaputt gegangen war. Nur das Knie – und noch 10 Kilometer zu laufen. Jetzt war ich nicht nur auf dem linken Schuh sondern auch auf dem rechten Knie gehandicapt. Irgendwie lief sich das Knie aber wieder ein, mit einigen Pausen zwischendrin schafften wir es zurück auf den normalen Affric Weg und von dort aus noch mal die knapp 6km zum Auto. Hier gab es das letzte Bild vom GPS. Auf den Punkt genau 23km. Nicht schlecht. Ich glaub, das war insgesamt die längste Wanderung, die wir je gemacht haben.


Über das Programm BaseCamp von Garmin hab ich den mitgeschnittenen Track inzwischen eingelesen. Der zeigte mir an, dass wir 1157 Höhenmeter überwunden haben. Für so ungeübte wie uns finde ich das gar nicht so schlecht 🙂 Trotzdem, Spaß gemacht hat das Ganze leider überhaupt nicht und das hauptsächlich am Wetter. Es ist unglaublich, wie sehr der Regen und der kalte Wind auf die Stimmung gedrückt haben. Rein von der Fitness her war der Weg schwer aber gut für uns schaffbar, natürlich mit einigen Pausen. Aber ein kleines bisschen stolz bin ich schon auf uns 🙂

 

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